Abrechnungsbetrug: Ruhen der Approbation

Dem Arzt droht bei vorgeblichen Abrechnungsbetrügereien bereits vor einer Verurteilung das Ruhen der Approbation

Bereits vor einer rechtskräftigen Verurteilung im Strafverfahren und vor einer abschließenden Entscheidung über den Widerruf der Approbation kann dem Arzt trotz der durch Art.


12 Abs. 1 GG gewährleisteten Berufsausübungsfreiheit die Möglichkeit genommen werden, seine Praxis weiter zu führen sowie den Beruf des Arztes auszuüben.

Urteil des OVG für das Land NRW vom 4. Juni 2019, Aktenzeichen 13 A 897/17:


Tenor


Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Köln vom 14. März 2017 geändert. Der Bescheid der Bezirksregierung L.   vom 26. September 2016 wird aufgehoben.   

    Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Instanzen.   

    Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.   

    Die Revision wird zugelassen.   

Tatbestand

1   Der am 3. März 1958 geborene Kläger ist seit dem 18. Juni 1991 freiberuflich als niedergelassener Vertragsarzt tätig. Er betreibt als Facharzt für Allgemeinmedizin mit zwei weiteren Ärzten eine Gemeinschaftspraxis in L.   . Er ist ledig und kinderlos.   

2   Auf eine Strafanzeige eines Landesverbandes von Betriebskrankenkassen hin leitete die Staatsanwaltschaft Köln im Jahr 2014 gegen den Kläger und weitere Beschuldigte ein Ermittlungsverfahren - 110 Js 62/14 - wegen gewerbs- und bandenmäßigen Betrugs ein. Es bestand der Verdacht, der Kläger habe sich im Zeitraum von 2009 bis 2014 in mehreren hundert Fällen durch das Ausstellen falscher Gesundheitszeugnisse daran beteiligt, von Trägern der gesetzlichen Krankenversicherung unberechtigte Leistungen nach dem Aufwendungsausgleichsgesetz sowie Krankengeldleistungen für angeblich beschäftigte Arbeitnehmer im Umfang von mehr als 800.000 Euro erwirkt zu haben. Der Kläger habe auf Wunsch von Mitbeschuldigten unter Verwendung elektronischer Gesundheitskarten für tatsächlich nicht existierende Scheinbeschäftigte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen mit frei erfundenen Diagnosen und ohne Untersuchung der angeblichen Patienten ausgestellt.   

3   Am 23. Oktober 2014 erließ das Amtsgericht Köln - 505 Gs 2097/14 - gegen den Kläger Haftbefehl wegen des dringenden Tatverdachts u.a. des 273-​fachen gewerbs- und bandenmäßigen Betrugs in Tateinheit mit dem Ausstellen unrichtiger Gesundheitszeugnisse.   

4   Der Kläger wurde am 28. Oktober 2014 festgenommen und befand sich bis zum 28. November 2014 in Untersuchungshaft. Auf seine Haftbeschwerde setzte die 12. Große Strafkammer des Landgerichts Köln als Wirtschaftsstrafkammer mit Beschluss vom 28. November 2014 - 112 Qs 4/14 - den Haftbefehl des Amtsgerichts Köln außer Vollzug und erteilte dem Kläger u.a. ein Kontaktverbot zu den weiteren Beschuldigten des Ermittlungsverfahrens. Weiter erteilte das Landgericht ihm u.a. die Weisung, in seiner Eigenschaft als Arzt keine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen, Atteste und Rezepte auszustellen. Das vom Amtsgericht Köln mit Beschluss vom 4. Dezember 2014 - 505 Gs 2587/14 - verfügte Berufsverbot hob das Landgericht durch Beschluss vom 15. Dezember 2014 - 112 Qs 5/14 - auf.   

5   Die gegen den Beschluss des Landgerichts Köln vom 28. November 2014 - 112 Qs 4/14 - gerichtete Beschwerde der Staatsanwaltschaft Köln verwarf das Oberlandesgericht Hamm durch Beschluss vom 5. Februar 2015 - 2 Ws 53/15 -. Zugleich hob es den Haftbefehl des Amtsgerichts Köln vom 23. Oktober 2014 - 505 Gs 2097/14 - und den Haftverschonungsbeschluss des Landgerichts Köln vom 28. November 2014 - 112 Qs 4/14 - unter Verweis auf das Fehlen des Haftgrundes der Wiederholungsgefahr auf. Zur Begründung führte es u.a. aus, der Kläger gehe seit Jahren seinem Arztberuf in eigener Praxis nach. Er sei weder vorbestraft noch sei aus den Akten zu entnehmen, dass er finanzielle oder persönliche Probleme habe. Es lasse sich keine nachvollziehbare Erklärung für seine Verstrickung in die umfangreichen betrügerischen Machenschaften, die maßgeblich von den beiden Mitbeschuldigten geplant und realisiert worden seien, finden. Dazu füge sich ein, dass die Staatsanwaltschaft dem Kläger nicht vorwerfe, sich an den betrügerisch erlangten Krankenzahlungen in dem enormen Umfang von 800.000 Euro persönlich bereichert zu haben. Der durch Abrechnungsbetrug in 62 Fällen vom Beschuldigten persönlich angeblich erlangte Betrag in Höhe von rund 555 Euro sei im Verhältnis dazu nur marginal. Der Kläger sei aufgrund seiner geordneten wirtschaftlichen Verhältnisse nicht auf die Einnahmen aus den vorgeworfenen Straftaten angewiesen. Für die Verneinung einer Wiederholungsgefahr sei zudem bedeutsam, dass das mutmaßlich in erster Linie von den Mitbeschuldigten installierte System von Scheinfirmen zerschlagen und die Mitbeschuldigten in Untersuchungshaft seien. Das Missbrauchsrisiko bei der Verwendung von Krankenversicherungskarten sei zudem durch die Einführung der mit verbesserten Sicherheitsstandards ausgestatteten elektronischen Gesundheitskarten zum 1. Januar 2015 verringert. Im Übrigen zeige die Staatsanwaltschaft lediglich Verdachtsmomente und vage Vermutungen auf.   

6   Mit Anklageschrift vom 7. April 2015 - 110 Js 62/14 - klagte die Staatsanwaltschaft Köln den Kläger wegen Betrugs bzw. Beihilfe zum Betrug an. Gegenstand der Anklage waren über 1.000 selbstständige Handlungen während eines Tatzeitraums vom 19. Dezember 2008 bis zum 30. Oktober 2014. Vorgeworfen wurde ihm u.a., in rund 550 Fällen Beihilfe zum Betrug im Zusammenhang mit dem missbräuchlichen Bezug von Leistungen nach dem Aufwendungsausgleichsgesetz und dem Bezug von Krankengeld geleistet und hierzu tatmehrheitlich als Arzt ein unrichtiges Gesundheitszeugnis ausgestellt zu haben. Der Schaden betrage mehr als 800.000 Euro. Des Weiteren wurde der Kläger angeklagt, in rund 20 Fällen gegenüber Krankenkassen bzw. der Kassenärztlichen Vereinigung einen Abrechnungsbetrug begangen zu haben, indem er Abrechnungen für nicht erbrachte Leistungen in Höhe von rund 460 Euro vorgenommen habe.   

7   Die Anklage ließ das Landgericht Köln mit Beschluss vom 8 Juli 2015 - 106 KLs 3/15 - zur Hauptverhandlung zu.   

8   Mit weiterer Anklageschrift vom 9. September 2015 - 110 Js 549/15 - klagte die Staatsanwaltschaft Köln den Kläger wegen Beihilfe zum Betrug und wegen der Ausstellung unrichtiger Gesundheitszeugnisse in drei Fällen an. Dem Kläger wurde vorgeworfen, während des Tatzeitraums von September 2010 bis zum

15. September 2014 für den Abschluss von Risikolebensversicherungen erforderliche Gesundheitsbescheinigungen in unzutreffender Weise oder ins Blaue hinein ausgestellt zu haben. Hinsichtlich dieser Anklage wurde das Hauptverfahren gleichfalls eröffnet. Das Verfahren wurde mit dem Verfahren 106 KLs 3/15 verbunden.   

9   Mit Anklageschrift vom 15. Juli 2016 - 110 Js 191/16 - wurde dem Kläger schließlich zur Last gelegt, in den Jahren 2011/2012 nach einem erlittenen Unfall von seiner Krankenversicherung durch 25 selbstständige Taten betrügerisch Krankentagegeld und Erstattungen von nicht entstandenen Aufwendungen für Heilbehandlungen im Umfang von ca. 47.000 Euro von seiner privaten Krankenkasse erwirkt zu haben.   

10   Zu der von der Bezirksregierung L.     beabsichtigten Anordnung des Ruhens der Approbation als Arzt angehört, erklärte der Kläger, er bestreite die Tatvorwürfe.   

11   Mit Bescheid vom 26. September 2016 ordnete die Bezirksregierung L.     das Ruhen der Approbation an. Zudem forderte sie den Kläger auf, die Original-​Approbationsurkunde spätestens zwei Wochen nach Bestandskraft des Bescheids zu übergeben und ordnete für den Fall der Nichtaushändigung ein Zwangsgeld in Höhe von 2.000 Euro an. Zur Begründung verwies sie auf die drei Anklageschriften. Die dem Kläger angelasteten Straftaten seien geeignet, sowohl seine Unwürdigkeit als auch die Unzuverlässigkeit zur Ausübung des ärztlichen Berufs zu begründen. In den Verfahren 110 Js 549/15 und 110 Js 191/16 werde dem Kläger vorgeworfen, unrichtige Zeugnisse über Gesundheitszustände ausgestellt zu haben. Es sei nicht nur ein finanzieller Verlust für die betroffenen Versicherungen, sondern auch für das gesamte Gesundheitssystem entstanden. Dadurch werde das Vertrauen der Bevölkerung in die Gesundheitsversorgung schwer erschüttert. In dem Verfahren 110 Js 62/14 komme ein Gewinnstreben um jeden Preis zum Ausdruck, das im unauflösbaren Widerspruch zu dem in der Öffentlichkeit vorhandenen Bild des helfenden Arztes stehe. Dies gelte umso mehr, wenn die persönliche Bereicherung unter massiver Verletzung geltender Rechtsnormen erfolge. Die vorgeworfenen Straftaten ließen zudem in der Gesamtbetrachtung die Prognose zu, dass der Kläger als Arzt seine Pflichten nicht in hinreichendem Maß erfüllen werde. Allein im Verfahren 110 Js 62/14 würden dem Kläger 1.249 rechtswidrige Handlungen unter Ausnutzung der beruflichen Stellung als Arzt zur Last gelegt.   

12   Die Anordnung des Ruhens der Approbation liege im pflichtgemäßen Ermessen. Sie sei ein geeignetes Mittel, um dem öffentlichen Interesse an einem ordnungsgemäßen Gesundheitssystem schnellstmöglich gerecht zu werden und das Vertrauen der Bevölkerung in ebendies zu schützen. Ein milderes Mittel zur Zweckerfüllung bestehe nicht. Der Wahrung des Vertrauens in das Gesundheitssystem stehe zwar das persönliche Interesse des Klägers an der weiteren Ausübung des Arztberufs entgegen. Nicht verkannt werde, dass mit dem Verbot der Ausübung des ärztlichen Berufs eine Haupteinnahmequelle des Klägers entfalle. Vorliegend überwiege aber das Interesse der Allgemeinheit an einer ordnungsgemäßen Gesundheitsversorgung. Die dem Kläger angelasteten Straftaten ließen aufgrund der Vielzahl und der Schwere der Vorwürfe die Annahme zu, dass der Kläger sich auch in Zukunft nicht rechtskonform verhalten und Pflichten missachten werde. Es stehe insbesondere zu befürchten, dass durch seine Verhaltensweisen ein weiterer finanzieller Schaden in der Gesundheitsversorgung entstehe. Ein Vertrauensverlust in den ärztlichen Berufsstand und das Gesundheitssystem dürfte angesichts der Vorwürfe, über die in der lokalen Presse bereits mehrfach berichtet worden sei, bereits eingetreten sein. Eine konkrete Gefahr für hochrangige Rechtsgüter bestehe aus diesem Grund darin, dass im Fall einer fortdauernden ärztlichen Tätigkeit eine weitere Schädigung des Vertrauens der Öffentlichkeit in die Ärzteschaft und die allgemeine Gesundheitsversorgung einzutreten drohe. Ferner zu berücksichtigen sei, dass ein Arzt, dem eine solche Vielzahl von Straftaten vorgeworfen werde, bereits jetzt nicht mehr das für die Ausübung des ärztlichen Berufs unabdingbare Vertrauen genieße, auch wenn es an einer rechtskräftigen Verurteilung fehle. Eine Approbation berechtige stets zur uneingeschränkten ärztlichen Tätigkeit. Sie könne nicht mit Auflagen oder Bedingungen verknüpft werden. Die Ruhensanordnung beeinträchtige zwar das Recht des Klägers auf freie Berufsausübung gemäß Art. 12 Abs. 1 GG und könne zu erheblichen wirtschaftlichen Einbußen führen. Jedoch überwiege das Interesse der Allgemeinheit am Schutz einer ordnungsgemäßen Gesundheitsversorgung und am Schutz des Vertrauens in den ärztlichen Berufsstand. Die Ruhensanordnung sei daher angemessen und werde unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls auch dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gerecht.   

13   Die schlüssigen Ermittlungsergebnisse der Staatsanwaltschaft, die Erhebung der Anklage sowie die aufgeführten Beweismittel ergäben eine hinreichend hohe Verurteilungswahrscheinlichkeit, die aus Sicht der Staatsanwaltschaft nach dem bisherigen Verlauf der Beweisaufnahme auch nicht durch das in das Strafverfahren eingeführte Schriftvergleichsgutachten in Zweifel gezogen werde. Die Unschuldsvermutung stehe dem Erlass der Ruhensanordnung nicht entgegen.

14   Die Herausgabe der Approbationsurkunde sei erforderlich, um einem möglichen Missbrauch vorzubeugen. Die festgesetzte Höhe des Zwangsgeldes sei wirtschaftlich angemessen und erforderlich, um die Forderung wirksam durchzusetzen.   

15   Der Kläger hat am 13. Oktober 2016 Klage erhoben. Er hat im Wesentlichen geltend gemacht, eine strafrechtliche Verurteilung sei nicht wahrscheinlich. Die aktuelle Prozesssituation sei ungeklärt, sodass aus den Strafverfahren keine für ihn nachteiligen Schlüsse gezogen werden dürften. Die weitere Berufstätigkeit sei ihm nicht zu verwehren, weil sie keine konkreten Gefahren für wichtige Gemeinschaftsgüter befürchten lasse. Angesichts des Eindrucks des Strafverfahrens sei künftig ein ordnungsgemäßes Handeln sichergestellt. Hierfür spreche auch, dass der auf Wiederholungsgefahr gestützte Haftbefehl aufgehoben worden sei.   

16   Der Kläger hat beantragt,   

17   den Bescheid der Bezirksregierung L.     vom

26. September 2016 aufzuheben.   

18   Der Beklagte hat beantragt,   

19   die Klage abzuweisen.   

20   Er hat ausgeführt, der Kläger biete aufgrund der ihm vorgeworfenen Straftaten nicht mehr die charakterliche Gewähr für die ordnungsgemäße Ausübung der Heilkunde. Diese umfasse auch die Pflicht, im Rahmen ärztlicher Tätigkeit Strafverstöße zu Lasten der am System der Gesundheitsversorgung beteiligten Krankenkassen zu unterlassen. Die jetzt aufgestellten Behauptungen des Klägers zum Tathergang erschienen angesichts der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen unglaubwürdig. Die approbationsrechtliche Maßnahme ziele auf das Vertrauen der Öffentlichkeit in den ärztlichen Berufsstand und die allgemeine Gesundheitsversorgung und damit auf einen anderen Schutzzweck als das strafrechtliche Berufsverbot.   

21   Das Verwaltungsgericht Köln hat die Klage durch Urteil vom 4. Juni 2017 abgewiesen und dazu ausgeführt, die Ruhensanordnung sei rechtmäßig. Die dem Kläger angelasteten Straftaten seien bei tatsächlicher Begehung geeignet, seine Unzuverlässigkeit und seine Unwürdigkeit zur Ausübung des ärztlichen Berufs zu begründen. Lege man die vorliegenden Ermittlungsergebnisse zugrunde, habe sich der Verdacht gegen den Kläger so weit verdichtet, dass er mit erheblicher Wahrscheinlichkeit wegen der Taten, die seine Unzuverlässigkeit und Unwürdigkeit begründeten, strafgerichtlich verurteilt werde. Die Bezirksregierung L.     habe bewusst zunächst weitere Ermittlungen und die Anklageerhebung abgewartet und das Ruhen erst in einem fortgeschrittenen Stadium des Hauptverfahrens angeordnet. Es sei von einer hohen Verurteilungswahrscheinlichkeit in einer Vielzahl von Fällen auszugehen. Ermessensfehler seien nicht erkennbar.   

22   Gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Köln hat der Kläger die vom Senat mit Beschluss vom 28. September 2018 nach Maßgabe des § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO zugelassene Berufung eingelegt.   

23   Die 6. Große Strafkammer des Landgerichts Köln hat den Kläger im Verfahren 106 KLs 3/15 (110 Js 62/14) nach 164 Verhandlungstagen am 8. Februar 2019 wegen Beihilfe zum Betrug in 30 Fällen (§§ 263 Abs. 1, 27, 49, 52, 53 StGB) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten verurteilt. Im Übrigen hat sie den Kläger freigesprochen. In den Fällen, in denen laut Anklageschrift vom 7. April 2015 auch der Vorwurf des Ausstellens unrichtiger Gesundheitszeugnisse (§ 278 StGB) erhoben worden war, hat die Strafkammer die Verfolgung gemäß § 154a Abs. 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StPO mit Zustimmung der Staatanwaltschaft in der Weise beschränkt, dass ein Verstoß gegen § 278 StGB nicht verfolgt wurde. In dem Verfahren 106 KLs 13/15 (110 Js 549/15) hat das Gericht den Kläger in zwei Fällen wegen Beihilfe zum versuchten Betrug verurteilt (§§ 263 Abs. 1, 22, 23, 27, 49, 53 StGB) und eine Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und vier Monaten verhängt. Im Übrigen hat es den Kläger freigesprochen. Eine schriftliche Urteilsbegründung liegt noch nicht vor. Gleiches gilt für das Sitzungsprotokoll.   

24   Laut Auskunft des Vorsitzenden Richters der 6. Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts Köln vom 2. April 2019 liegen der Verurteilung im Verfahren 106 KLS 13/15 (110 Js 549/15) die Fälle 1 und 2 der Anklage vom 9. September 2015 zugrunde. Weiter hat dieser zu dem Verfahren 106 KLs 3/15 (110 Js 62/14) erklärt, die Tathandlungen erstreckten sich auf den Zeitraum Februar 2010 bis Juli 2014. Die Staatsanwaltschaft habe jede Zahlung einer Krankenkasse als selbständigen Betrugsfall angeklagt. Soweit die Zahlungen der Krankenkasse jeweils durch eine Handlung (Einreichung des Auszahlscheins) ausgelöst worden sei, liege nach Auffassung der Kammer jeweils nur eine Tat vor. Aufgrund der vom Angeklagten geförderten Haupttaten sei den geschädigten gesetzlichen Krankenkassen ein Gesamtschaden in Höhe von 407.731,99 Euro entstanden.   

25   In dem Verfahren 106 KLs 5/16 (110 Js 191/16) ist noch kein Urteil gefallen.   

26   Zur Begründung der Berufung trägt Kläger vor:   

27   Die Vorlage des Tenors seiner Verurteilung durch das Landgericht Köln am

8. Februar 2019, gegen die er bereits Revision eingelegt habe, führe ohne Kenntnis der Urteilsgründe und deren approbationsrechtlichen Bedeutung nicht weiter. Der Hinweis des Beklagten auf Presseartikel, in denen sein Name nicht genannt sei, sei nicht geeignet, die Anordnung des Ruhens zu erzwingen, um das Vertrauen der Bevölkerung in eine ordnungsgemäße Gesundheitsversorgung vor Schäden zu bewahren, zumal die strafrechtlichen Vorwürfe sich nicht auf eine Verletzung der typisch ärztlichen Berufspflichten im Sinne von § 1 Abs. 1 BÄO bezögen. Die neuere europarechtliche und arbeitsgerichtliche Rechtsprechung zur Kündigung eines Chefarztes an einem katholischen Krankenhaus wegen gegen kirchliche Moraltheologie verstoßender Eingehung einer zweiten Ehe lasse die Tendenz erkennen, dass approbationsrechtliche Maßnahmen ein Verhalten voraussetzten, das mit der Gesundheitsfürsorge als Kernpflicht des Arztes Bezugspunkte aufweise. Der Beklagte verkenne, dass die Annahme von Unwürdigkeit und Unzuverlässigkeit einen hohen Begründungsaufwand erfordere, den dieser nicht geleistet habe. Die Taten würden weiterhin bestritten. Eine abschließende Klärung der Strafbarkeit sei dem Strafverfahren vorbehalten. Eine etwaige mehrjährige Dauer eines Revisionsverfahrens habe er nicht zu vertreten. Auch im Verwaltungsverfahren sei die Unschuldsvermutung des Art. 6 Abs. 2 EMRK als besondere Ausprägung des Rechtsstaatsprinzips zu beachten. Völlig verfehlt sei die Auffassung des Beklagten, die Anordnung des Ruhens sei erforderlich, um weitere Pflichtverletzungen zu verhindern. Die angeschuldigten Verhaltensweisen lägen mehr als fünf Jahre zurück. Seitdem habe seine Berufsausübung keinen Grund zur Beanstandung gegeben. Anhaltspunkte dafür, dass sich daran nunmehr etwas ändern könne, bestünden nicht. Auch die Strafkammer habe von der Verhängung eines Berufsverbots nach § 70 StGB abgesehen. Dass er keine Reue erkennen lasse, könne der Beklagte ihm nicht vorwerfen, da er seine Teilnahme bestreite. Jede Sachlichkeit vermissen ließen spekulative Überlegungen des Beklagten, er werde zukünftig seine berufsspezifischen Pflichten als Arzt zu Gunsten persönlicher Vorteile vernachlässigen.   

28   Der Kläger beantragt,   

29   das angefochtene Urteil zu ändern und den Bescheid des Beklagten vom 26. September 2016 aufzuheben.   

30   Der Beklagte beantragt,   

31   die Berufung zurückzuweisen.   

32   Er ist weiterhin der Auffassung, die Ruhensanordnung sei rechtmäßig. Der Ausgang des Strafverfahrens vor dem Landgericht Köln stütze die Annahme der Unwürdigkeit und der Unzuverlässigkeit des Klägers. Die Strafkammer sei nach einer außerordentlich umfangreichen Beweisaufnahme zu der Überzeugung gelangt, dass der Kläger sich der Beihilfe zum Betrug in zahlreichen Fällen schuldig gemacht habe. Dass sich hieraus die Unwürdigkeit und die Unzuverlässigkeit zur Ausübung des Arztberufes ergeben könne, liege auf der Hand. Der Hinweis der Klägerseite, dass die Anschuldigungen keinen Zusammenhang zu den eigentlichen Berufspflichten eines Arztes erkennen ließen, gehe fehl. Die Ruhensanordnung erweise sich unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten, die Gegenstand der Anschuldigungen seien, der Verurteilungswahrscheinlichkeit und des Strafmaßes als verhältnismäßig. Die Ruhensanordnung sei erforderlich, weil die Gefahr bestehe, dass der Kläger, der nicht nur ein erhebliches Maß an Skrupel- und Gewissenlosigkeit erkennen, sondern auch jegliche Reue und Einsichtsfähigkeit vermissen lasse, auch weiterhin seine Pflichten verletzte. Ihm stehe eine langjährige Haftstrafe unmittelbar bevor, weshalb er ohnehin nicht mehr viel zu verlieren habe. Darüber hinaus drohe eine massive Schädigung des Ansehens der Ärzteschaft durch das Verhalten des Klägers unmittelbar einzutreten, da trotz einer inzwischen erfolgten erstinstanzlichen Verurteilung keine berufsrechtlichen Konsequenzen eingetreten seien. Durch die Berichterstattung in der Presse drohe das Vertrauen der Bevölkerung in eine ordnungsgemäße Gesundheitsversorgung darüber hinaus zusätzlichen Schaden zu nehmen. Es sei davon auszugehen, dass sich an das erstinstanzliche Urteil des Landgerichts Köln ein möglicherweise mehrjähriges Revisionsverfahren anschließe. Im Interesse der Allgemeinheit sei es nicht hinnehmbar, einem Arzt, der nach derzeitigen Erkenntnissen eine gravierende Fehleinstellung gegenüber der geltenden Rechtsordnung und seinen beruflichen Pflichten an den Tag gelegt habe, die Ausübung seines Berufs fortan zu ermöglichen.   

33   Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, der beigezogenen Verwaltungsvorgänge und der elektronischen Auszüge aus den Strafakten Bezug genommen.   

Entscheidungsgründe

34   Die zulässige Berufung des Klägers hat Erfolg. Die Anfechtungsklage ist zulässig und begründet. Der Bescheid des Beklagten vom 26. September 2016 ist in dem für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Senats,   

35   vgl. OVG NRW, Beschluss vom 21. Oktober 2016 - 13 B 893/16 -, juris, Rn. 5; Bay. VGH, Beschluss vom 25. April 2018 - 21 ZB 17.311 -, juris, Rn. 10; OVG Saarland, Urteil vom 29. November 2005 - 1 R 12/05 -, juris, Rn. 61,   

36   rechtwidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§§ 113 Abs. 1 Satz 1, 114 Satz 1 VwGO).   

37   Ermächtigungsgrundlage für die Anordnung des Ruhens der Approbation als Arzt ist § 6 Abs. 1 Nr. 1 BÄO. Danach kann die zuständige Behörde - hier gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 der Verordnung zur Regelung der Zuständigkeiten nach Rechtsvorschriften für Heilberufe (Zuständigkeitsverordnung Heilberufe - ZustVO HB) die Bezirksregierung L.     -​  das Ruhen der Approbation anordnen, wenn gegen den Arzt wegen des Verdachts einer Straftat, aus der sich seine Unwürdigkeit oder Unzuverlässigkeit zur Ausübung des ärztlichen Berufs ergeben kann, ein Strafverfahren eingeleitet ist.   

38   Die Tatbestandsvoraussetzungen dieser Regelung liegen zwar vor (I.), die Ruhensanordnung erweist sich aber als ermessensfehlerhaft, weil es derzeit an einer die Ruhensanordnung rechtfertigenden konkreten Gefahr für wichtige Gemeinschaftsgüter fehlt (II.).   

39   I. Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 6 Abs. 1 Nr. 1 BÄO sind erfüllt.   

40   1. Gegen den Kläger sind mehrere Strafverfahren eingeleitet worden, die noch nicht rechtskräftig abgeschlossen sind.   

41   a) Das in Art. 6 Abs. 2 EMRK verankerte Prinzip der Unschuldsvermutung verbietet die Anknüpfung berufsrechtlicher Maßnahmen schon an die Einleitung eines strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens nicht. Den Verwaltungsbehörden und den Gerichten ist es nicht verwehrt, die in einem solchen Verfahren gewonnenen Erkenntnisse einer eigenständigen Überprüfung daraufhin zu unterziehen, ob sich daraus hinreichende Schlussfolgerungen für das Vorliegen berufsrechtlicher Maßnahmen ergeben.   

42   Vgl. dazu (allgemein) BVerfG, Beschlüsse vom 29. Mai 1990 - 2 BvR 254, 1343/88 -, juris,

Rn. 33 ff., und vom 16. Januar 1991 - 1 BvR 1326/90 -, juris, Rn. 19 ff.   

43   b) Art. 12 Abs. 1 GG gebietet allerdings eine verfassungskonforme Auslegung des § 6 Abs. 1 Nr. 1 BÄO dahingehend, dass die Einleitung eines Strafverfahrens eine Ruhensanordnung u.a. nur dann rechtfertigen kann, wenn die hohe Wahrscheinlichkeit besteht, dass das strafgerichtliche Verfahren zu einer Verurteilung des Arztes wegen der gegen ihn erhobenen strafrechtlichen Vorwürfe in ihrem wesentlichen Kern führt.   

44   Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 10. Dezember 2018 - 13 B 576/18 -, juris, Rn. 7; OVG Saarland, Urteil vom 29. November 2005 - 1 R 12/05 -, juris, Rn. 61.   

45   Dies folgt aus der Erwägung, dass die Ruhensanordnung als vorläufige Maßnahme für die Dauer eines schwebenden Strafverfahrens,   

46   vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 9. September 1970 - I B 55.69 -, DÖV 1970, 825 = juris; dementsprechend erledigt sich eine auf § 6 Abs. 1

Nr. 1 BÄO gestützte Ruhensanordnung, wenn eine rechtskräftige Verurteilung vorliegt, vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 26. Oktober 2011 - 3 B 34.11, 3 B 34.11 (3 C 31.11) -, juris, Rn. 1, und vom 29. November 2007 - 3 C 52.06 -, juris,

Rn. 2,   

47   zu einem gravierenden Eingriff in die durch Art. 12 Abs. 1 GG gewährleistete Berufsausübungsfreiheit führt. Sie bewirkt, dass dem Arzt bereits vor einer rechtskräftigen Verurteilung im Strafverfahren und vor einer abschließenden Entscheidung über den Widerruf der Approbation für bestimmte oder unbestimmte Zeit die Möglichkeit genommen wird, seine Praxis weiter zu führen sowie den Beruf des Arztes auszuüben.   

48   vgl. BVerfG, Beschluss vom 8. April 2010 - 1 BvR 2709/09 -, juris, Rn.11, zum Widerruf.   

49   Für diesen Zeitraum begründet sie ein vollständiges und irreversibles Berufsausübungsverbot, das sich wegen der fehlenden Teilbarkeit der ärztlichen Approbation nicht auf bestimmte ärztliche Tätigkeiten beschränkt.   

50   Vgl. Quaas, in: Quaas/Zuck/Clemens, Medizinrecht, 4. Aufl. 2018, § 13 Rn. 27.   

51   Eine hohe Verurteilungswahrscheinlichkeit liegt hier vor, nachdem die 6. Große Strafkammer des Landgerichts Köln den Kläger im Verfahren 106 KLs 3/15 (110 Js 62/14) am 8. Februar 2019 wegen Beihilfe zum Betrug in 30 Fällen (§§ 263 Abs. 1, 27, 49, 52, 53 StGB) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten und im Verfahren 106 KLs 13/15 (110 Js 549/15) in zwei Fällen wegen Beihilfe zum versuchten Betrug (§§ 263 Abs. 1, 22, 23, 27, 49, 53 StGB) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und vier Monaten verurteilt hat.   

52   Angesichts der im Strafverfahren erfolgten umfangreichen Beweiserhebung ist der Umstand, dass der Kläger die Tatvorwürfe im vorliegenden Klageverfahren - ebenso wie im Strafverfahren - weiterhin bestreitet, nicht geeignet, die für die Ruhensanordnung erforderliche Verurteilungswahrscheinlichkeit in Frage zu stellen. Angesichts der umfangreichen Beweiserhebung und der langen Verhandlungsdauer sieht sich der Senat auch mit Blick auf Art. 19 Abs. 4 GG nicht zu weiteren Ermittlungen und Beweisaufnahmen veranlasst.   

53   Ob eine Verurteilung auch im Verfahren 106 KLs 5/16 (110 Js 91/16) hinreichend wahrscheinlich ist, ist hingegen offen. Der Kläger bestreitet auch in diesem Verfahren die einzelnen Tatvorwürfe (Bezug von Krankentagegeld trotz Arbeitsfähigkeit - angeblicher Schaden 19.046,40 Euro, Abrechnung physiotherapeutischer Behandlungen, obwohl Leistungen bei dem befreundeten Physiotherapeuten I.       B.         nur teilweise erbracht wurden - angeblicher Schaden 17.256,28 Euro, Abrechnung medizinischer Behandlung bei dem befreundeten

Dr. med. I1.       , obwohl er dessen Rechnungen nicht bezahlt hat - angeblicher Schaden 10.712, 59 Euro). Wie lange der Kläger nach seinem Verkehrsunfall im Oktober 2011 tatsächlich arbeitsunfähig bzw. nicht in der Lage war, einen regulären Praxisbetrieb aufrecht zu erhalten, vermag der Senat insbesondere angesichts der Einwände des Klägers gegen die Auswertung des Praxissoftwareprogramms DURIA nicht abschließend zu beurteilen. Eine Verurteilung des gesondert verfolgten Physiotherapeuten I.         B.          ist nicht erfolgt. Das gegen ihn gerichtete Verfahren ist gemäß § 153a StPO eingestellt worden. Im Übrigen hatte dieser bei seiner Anhörung im Ermittlungsverfahren (Bl. 360 ff.) erklärt, er habe dem Kläger von diesem abgesagte Therapiestunden in Rechnungen gestellt und sei davon ausgegangen, dass er das Geld vom Kläger, der sporadisch Barzahlungen geleistet habe und der sein Hausarzt und ein Freund der Familie sei, schon noch bekommen werde. Ob und in welchem Umfang der Kläger zur Zahlung ausgestellter Rechnungen des Dr. I1.        verpflichtet und bereit war und es deshalb möglicherweise an einer Bereicherungsabsicht gefehlt haben könnte, vermag der Senat nicht festzustellen. Das gegen diesen Arzt gerichtete Verfahren ist ebenfalls gemäß § 153a StPO eingestellt worden.   

54   Auf sonstige eingeleitete oder bereits eingestellte Strafverfahren hat die Bezirksregierung L.     die Ruhensanordnung nicht gestützt.   

55   2. Jedenfalls aus den Straftaten, die der Verurteilung des Klägers durch das Landgericht Köln zu Grunde liegen, folgen die Unwürdigkeit (a) und die Unzuverlässigkeit (b) des Klägers zur Ausübung des ärztlichen Berufs.   

56   a) Der Begriff der Unwürdigkeit ist ein unbestimmter Rechtsbegriff, bei dem sich die für die Auslegung maßgeblichen Gesichtspunkte hinreichend bestimmt aus dem Gesamtzusammenhang, insbesondere der dem Arzt zukommenden Aufgabe, der Gesundheit des einzelnen Menschen und des gesamten Volkes zu dienen (§ 1 Abs. 1 BÄO), sowie seinen berufsrechtlichen Pflichten entnehmen lassen.   

57   Vgl. BVerfG, Beschluss vom 8. September 2017 - 1 BvR 1657/17 -, juris, Rn. 11.   

58   Für die Annahme der Unwürdigkeit nicht ausreichend ist ein Verhalten des Arztes, das im beruflichen Umfeld oder gesellschaftlichen Bereich auf Missfallen stößt. Erforderlich ist vielmehr ein schwerwiegendes Verhalten, das bei Würdigung aller Umstände das für eine ordnungsgemäße Aufgabenerfüllung unabdingbare Vertrauen zwischen Arzt und Patient nachhaltig zerstört. Mit diesem Vertrauen untrennbar verbunden ist das Schutzgut der Volksgesundheit, in dessen Interesse Patienten die Gewissheit haben müssen, sich dem Arzt als ihrem Helfer uneingeschränkt anvertrauen zu können, und nicht etwa durch Misstrauen davon abgehalten werden, ärztliche Hilfe in Anspruch zu nehmen. Die Volksgesundheit ist ein besonders wichtiges Gemeinschaftsgut, zu dessen Schutz eine subjektive Berufszulassungsschranke nicht außer Verhältnis steht.   

59   Vgl. zu alldem BVerfG, Beschluss vom 8. September 2017 - 1 BvR 1657/17 -, juris, Rn. 13, m.w.N.; BVerwG, Beschlüsse vom 27. Januar 2011 - 3 B 63.10 -, juris, Rn. 4, vom 28. Januar 2003 - 3 B 149.02 -, juris, Rn. 4, und vom 9. Januar 1991 - 3 B 75.90 -, juris, Rn. 3.   

60   Gravierende Verfehlungen müssen nicht unmittelbar im Verhältnis des Arztes zu seinem Patienten angesiedelt sein. Erfasst werden auch mit der eigentlichen ärztlichen Tätigkeit in nahem Zusammenhang stehende Handlungen und ferner, abhängig von der Schwere des Delikts, auch Straftaten außerhalb des beruflichen Wirkungskreises, wenn sie zu einem Ansehens- und Vertrauensverlust führen, der den Betroffenen für den ärztlichen Beruf als auf absehbare Zeit untragbar erscheinen lässt.   

61   Vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 28. August 1995 -3 B 7.95 -, juris, Rn. 10, und vom 9. Januar 1991 - 3 B 75.90 -, juris, Rn. 5.   

62   Unerheblich ist dabei, inwieweit das Fehlverhalten des Arztes in der Öffentlichkeit - etwa durch eine Presseberichterstattung - bereits bekannt geworden ist. Denn die Ruhensanordnung dient der Gefahrenabwehr, sodass es auf diesen mehr oder weniger zufälligen Umstand nicht ankommt.   

63   Vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 6. März 2003 - 3 B 10.03 -, juris, Rn. 3, und vom 28. Januar 2003 - 3 B 149.02 -, juris, Rn. 4.   

64   Dies zu Grunde gelegt, ist davon auszugehen, dass es sich bei den dem Kläger vorgeworfenen Straftaten um gravierende Straftaten handelt, die zu einem Ansehens- und Vertrauensverlust führen und den Kläger für den ärztlichen Beruf als auf absehbare Zeit untragbar erscheinen lassen können.   

65   Abrechnungsbetrügereien gegenüber Krankenkassen, an denen sich der Kläger beteiligt haben soll, sind schwere Straftaten mit unmittelbarem Bezug zum beruflichen Wirkungskreis des Arztes. Die korrekte Abrechnung ärztlicher Leistungen gegenüber den gesetzlichen Krankenkassen gehört selbstverständlich zu den Berufspflichten eines Arztes. Die Gefährdung der finanziellen Basis der Kassen durch eine Beteiligung an betrügerischen Abrechnungen in großem Umfang - hier über nahezu fünf Jahre und mit einem verursachten Schaden über mehrere hunderttausend Euro - stellt auch ohne einen unmittelbaren behandlungsrelevanten Bezug eine gravierende berufliche Verfehlung dar, weil die Verlässlichkeit des Abrechnungssystems eine Bedingung für das Funktionieren der vertragsärztlichen Versorgung darstellt.   

66   Vgl. BVerfG, Beschluss vom 8. November 2010 - 1 BvR 722/10 -, juris, Rn. 15; BVerwG, Urteil vom 26. September 2002 - 3 C 37.01 -, juris, Rn. 20, sowie Beschluss vom 28. August 1995 - 3 B

7.95 - , juris, Rn. 10.   

67   Die dem Kläger vorgeworfenen Straftaten sind - eine rechtskräftige Verurteilung unterstellt - geeignet, das Vertrauen der Öffentlichkeit in den Berufsstand des Arztes nachhaltig zu erschüttern, bliebe das Verhalten für den Fortbestand der Approbation folgenlos.   

68   Vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 13. Februar 2014 - 3 B 68.13 -, juris, Rn. 10, und vom 27. Oktober 2010 - 3 B 61.10 -, juris, Rn. 4.   

69   b) Die Straftaten, die der Verurteilung des Landgerichts Köln zu Grunde liegen, sind ferner geeignet, die Unzuverlässigkeit des Klägers zu begründen.   

70   Erforderlich für die Annahme der Unzuverlässigkeit sind Tatsachen, die die Annahme rechtfertigen, der Arzt werde in Zukunft die Vorschriften und Pflichten nicht beachten, die sein Beruf mit sich bringt. Für diese Prognose kommt es darauf an, ob der Betreffende nach den gesamten Umständen des Falles willens und in der Lage sein wird, künftig seine beruflichen Pflichten zuverlässig zu erfüllen. Maßgeblich dafür ist die jeweilige Situation des Arztes sowie sein vor allem durch die Art, die Schwere und die Zahl der Verstöße gegen die Berufspflichten manifest gewordener Charakter.   

71   Vgl. BVerwG, Urteil vom 28. April 2010 - 3 C 22.09 -, juris, Rn. 10, (zum Logopäden) mit Verweis auf das Berufsrecht der Ärzte und der Angehörigen sonstiger Heil- und Heilhilfsberufe.   

72   Ausgehend hiervon sind die Straftaten, die Gegenstand der Verurteilung sind, geeignet, die Annahme der Unzuverlässigkeit des Klägers zu begründen. Dem steht nicht entgegen, dass der Kläger in geordneten Verhältnissen lebt und weder finanzielle noch private Probleme erkennbar sind, die seine Beteiligung an den ihm vorgeworfenen Straftaten in den Verfahren 106 KLs 3/15 (110 Js 62/14) und 106 KLs 13/15 (110 Js 549/15) plausibel erklären können. Für die Annahme der Unzuverlässigkeit irrelevant ist zudem, dass der Kläger an den Betrugshandlungen nur mitgewirkt hat, aber nicht deren Initiator war und das in erster Linie von den Mitbeschuldigten installierte System von Scheinfirmen zerschlagen ist. Die Annahme, dass der Kläger keine Gewähr dafür bietet, dass er zukünftig seinen beruflichen Pflichten ordnungsgemäß nachkommen wird, ist jedenfalls deshalb gerechtfertigt, weil er über nahezu fünf Jahre und in einer Vielzahl von Fällen seine Pflichten als Arzt missachtet und seine Kompetenzen missbraucht hat. Gerade weil kein plausibles Motiv erkennbar ist, lässt sein Verhalten auf eine verfestigte Neigung schließen, seinen beruflichen Pflichten nicht die ihnen zukommende Bedeutung beizumessen und sich auch zukünftig nicht an diese zu halten.   

73   II. Die Anordnung des Ruhens ist aber ermessensfehlerhaft, weil sie - wie bereits oben ausgeführt - als Präventivmaßnahme vor Rechtskraft einer strafrechtlichen Verurteilung nicht erforderlich ist. Es fehlt derzeit an einer die Ruhensanordnung rechtfertigenden konkreten Gefahr für wichtige Gemeinschaftsgüter.   

74   1. Gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 1 BÄO hat die Bezirksregierung L.     über die Anordnung des Ruhens nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden. Die gerichtliche Kontrolle dieser Entscheidung ist auf die Nachprüfung beschränkt, ob der Behörde ein Ermessensfehler unterlaufen ist; das Gericht darf nicht sein eigenes Ermessen an die Stelle des Behördenermessens setzen. Der gerichtlichen Nachprüfung unterliegt damit (nur), ob die Bezirksregierung L.     ihr Ermessen pflichtgemäß, d.h. entsprechend dem Zweck des § 6 Abs. 1 Nr. 1 BÄO, ausgeübt und die gesetzlichen Grenzen ihres Ermessens eingehalten hat (§ 114 Satz 1 VwGO). Soweit die Bezirksregierung L.     die Ruhensanordnung auf mehrere selbständig tragende Gründe gestützt hat, genügt es, dass einer dieser Gründe rechtlich fehlerfrei ist.   

75   Vgl. BVerwG, Urteile vom 28. September 2017 - 5 C 13.16 -, juris, Rn. 23, und vom  21. September 2000 - 2 C 5.99 - , juris, Rn. 53.   

76   2. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts,   

77   vgl. Beschlüsse vom 2. April 2007 - 1 BvR 2403/06 -, juris, Rn. 9, und vom 4. Oktober 2006 -1 BvR 2403/06 -, juris, Rn. 16; vgl. auch OVG NRW, Beschluss vom 10. Dezember 2018 - 13 B 576/18 -, juris, Rn. 5,   

78   lässt Art. 12 Abs. 1 GG einen Eingriff in die Berufsfreiheit vor Rechtskraft eines Hauptsacheverfahrens als Präventivmaßnahme nur unter strengen Voraussetzungen zur Abwehr konkreter Gefahren für wichtige Gemeinschaftsgüter und unter strikter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit zu. Diese Grundsätze gelten auch für das Ruhen einer Approbation nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 BÄO und § 5 Abs. 1 Nr. 1 ZHG - einer vorläufigen Berufsuntersagung in einem unklaren oder eilbedürftigen Fall.   

79   Vgl. BVerfG, Beschluss vom 2. April 2007 - 1 BvR 2403/06 -, juris, Rn. 9.   

80   Allein das Vorliegen von Straftaten, aus denen sich die Unwürdigkeit und Unzuverlässigkeit des Klägers ergeben kann, genügt deshalb für die Anordnung des Ruhens der Approbation nicht. Selbst die voraussichtliche Rechtmäßigkeit eines Widerrufs wegen Unwürdigkeit oder Unzuverlässigkeit eines Arztes lässt nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts,   

81   vgl. BVerfG, Beschluss vom 8. April 2010 - 1 BvR 2709/09 -, juris, Rn. 19,   

82   nicht unmittelbar auf das Bestehen einer die Anordnung der sofortigen Vollziehung rechtfertigenden konkreten Gefahr für wichtige Gemeinschaftsgüter schließen. Ein effektiver Rechtsschutz gegen Grundrechtseingriffe wäre nicht gewährleistet, wenn durch Präventivmaßnahmen schon dann vollendete Tatsachen geschaffen werden könnten, wenn eine summarische Prüfung die hohe Wahrscheinlichkeit einer entsprechenden endgültigen Maßnahme ergeben hat. Nur überwiegende öffentliche Belange können es ausnahmsweise rechtfertigen, den Rechtsschutzanspruch des Grundrechtsträgers einstweilen zurückzustellen, um unaufschiebbare Maßnahmen im Interesse des allgemeinen Wohls rechtzeitig in die Wege zu leiten.   

83   Vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 8. April 2010 - 1 BvR 2709/09 -, juris, Rn. 12, 22, vom 23. November 2009 - 1 BvR 2709/09 -, juris, Rn. 6 f. (Anordnung der sofortigen Vollziehung des Widerrufs einer Approbation), und vom 2. März 1977

- 1 BvR 124/76 -, juris, Rn. 31 (vorläufiges Berufsverbot gegen einen Rechtsanwalt).   

84   Diese strengen Maßgaben gelten erst Recht für eine auf § 6 Abs. 1 Nr. 1 BÄO gestützte Ruhensanordnung, bei der - anders als im Falle des Widerrufs - weder die Unwürdigkeit oder die Unzuverlässigkeit des Arztes noch die Strafbarkeit des die Ruhensanordnung begründenden Verhaltens abschließend geklärt ist.   

85   Ausgehend hiervon lässt sich gegenwärtig eine die Ruhensanordnung rechtfertigende konkrete Gefahr für wichtige Gemeinschaftsgüter nicht feststellen.   

86   a) Die Bezirksregierung L.     trägt zur Begründung ihrer Ermessensentscheidung vor, es bestehe die Gefahr, dass der Kläger sich auch zukünftig nicht rechtskonform verhalten und Pflichten missachten werde und durch sein Verhalten ein weiterer finanzieller Schaden in der Gesundheitsversorgung einzutreten drohe. Die Verlässlichkeit des Abrechnungssystems als Bedingung für das Funktionieren der vertragsärztlichen Versorgung dient zwar der Sicherung eines besonders wichtigen Allgemeininteresses, dass Beschränkungen des Art. 12 Abs. 1 GG im Einzelfall auch präventiv erlaubt.   

87   Vgl. BVerfG, Beschluss vom 8. November 2010 - 1 BvR 722/10 -, juris, Rn. 15, zur Zulässigkeit des Sofortvollzugs der Entziehung der Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung.   

88   Tatsächliche Anhaltspunkte für die Annahme, dass der offensichtlich weiterhin in geordneten finanziellen Verhältnissen lebende Kläger bis zum rechtskräftigen Abschluss des Strafverfahrens seine ärztliche Tätigkeit für vermögensschädigende Handlungen zu Lasten der Krankenkassen ausnutzt, hat die Bezirksregierung L.     aber nicht beigebracht. Die bloße Behauptung, dass der Kläger seine berufsspezifischen Verpflichtungen weiterhin verletzen werde, weil er nach der erfolgten, nicht rechtskräftigen Verurteilung nichts mehr zu verlieren habe (Schriftsatz vom 12. Januar 2019, GA Bl. 259), genügt nicht, zumal sie rein spekulativ und durch nichts belegt wird. Tatsächliche Anhaltspunkte für eine insoweit bestehende Wiederholungsgefahr sind auch nicht sonstwie ersichtlich. Die Art und Schwere des dem Kläger vorgeworfenen Verhaltens indizieren eine solche allein noch nicht.   

89   Vgl. BVerfG, Beschluss vom 2. März 1977 - 1 BvR 124/76 -, juris, Rn. 36 (vorläufiges Berufsverbot gegen einen Rechtsanwalt).   

90   Schließlich spricht auch nichts dafür, dass nicht schon der Druck des noch laufenden Strafverfahrens sowie der Druck des drohenden Verfahrens auf Widerruf der Approbation genügen, um sicherzustellen, dass der Kläger während des maßgeblichen Zeitraums keine Abrechnungsbetrügereien begeht.   

91   Vgl. entsprechend zur Anordnung der sofortigen Vollziehung BVerfG, Beschluss vom 19. Dezember 2007- 1 BvR 2157/07 -, juris, Rn. 26.       

92   b) Die Rechtfertigung der Ruhensanordnung sieht die Bezirksregierung L.     zudem in dem Ansehens- und Vertrauensverlust, der dadurch verursacht werde, dass trotz einer inzwischen erfolgten erstinstanzlichen Verurteilung keine Konsequenzen eingetreten seien. Durch die Berichterstattung in der Presse drohe das Vertrauen der Bevölkerung in eine ordnungsgemäße Gesundheitsversorgung zusätzlichen Schaden zu nehmen, da davon auszugehen sei, dass sich an das erstinstanzliche Urteil des Landgerichts Köln ein möglicherweise mehrjähriges Revisionsverfahren anschließe. Es erscheine im Interesse der Allgemeinheit nicht hinnehmbar, einem Arzt, der nach derzeitigen Erkenntnissen eine gravierende Fehleinstellung gegenüber der geltenden Rechtsordnung und seinen beruflichen Pflichten an den Tag gelegt habe, die weitere Ausübung seines Berufs zu ermöglichen.   

93   Ungeachtet der Frage, ob die Bezirksregierung L.     hinreichend zu erkennen gegeben hat, dass diese Erwägungen ihre Ermessensentscheidung - ohne die von ihr angenommene Wiederholungsgefahr sowie ohne hinreichende Anhaltspunkte für ein aus dem Verfahren 110 Js 62/14 folgendes Gewinnstreben um jeden Preis - selbstständig tragen sollen, ist nicht ersichtlich, dass das Vertrauen der Bevölkerung in eine ordnungsgemäße Gesundheitsversorgung gegenwärtig ohne Erlass der Ruhensanordnung konkret gefährdet wäre. Eine konkrete Gefahr von Missständen im Hinblick auf die ärztliche Versorgung infolge der fortwährenden ärztlichen Tätigkeit des Klägers hat die Bezirksregierung nicht aufgezeigt. Hierfür ist auch sonstwie nichts ersichtlich. Die Straftaten berühren weder das unmittelbare Arzt - Patientenverhältnis, noch werden medizinische Kompetenzen des Klägers in Frage gestellt. Patienteninteressen, die ein umgehendes Eingreifen gebieten könnten, werden auch ansonsten nicht unmittelbar tangiert. Dass das Strafverfahren in der Presse Beachtung findet und die Öffentlichkeit hierüber mehr oder weniger zufällig erfährt, mag zwar dazu führen, dass Unverständnis darüber besteht, dass das Verhalten des Klägers immer noch nicht - insbesondere nicht in Gestalt eines Berufsverbots - spürbar sanktioniert wurde. Triebfeder des Verwaltungshandels darf dies aber nicht sein, denn die Ruhensanordnung dient allein der Gefahrenabwehr. Strafzwecke, auch solche generalpräventiver Art, können zur Rechtfertigung einer Ruhensanordnung nicht herangezogen werden.   

94   Vgl. BVerfG, Beschluss vom 8. November 2010 - 1 BvR 722/10 -, juris, Rn. 17 zur sofortigen Vollziehung der Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung; BVerwG, Beschlüsse vom 13. Februar 2014 - 3 B 68.13 -, juris, Rn. 12, und vom 27. Januar 2011 - 3 B 63.10 -, juris, Rn. 4, jeweils zum Widerruf.   

95   Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass der mit dem angefochtenen Bescheid angestrebte Schutz des Vertrauens in die Ärzteschaft durch ein Absehen von der Ruhensanordnung auch nicht vereitelt, sondern nur bis zu einer Entscheidung über den Widerruf der Approbation aufgeschoben wird. Ein unwiederbringlicher Vertrauensverlust der Allgemeinheit in die Ärzteschaft ist deshalb auch mit Blick auf die Höhe der Verurteilung und die Vielzahl der streitgegenständlichen Straftaten nicht zu befürchten.   

96   Vgl. BVerfG, Beschluss vom 23. November 2009 - 1 BvR 2709/09 -, juris, Rn. 11.   

97   Soweit es der Bezirksregierung L.     schließlich auch allgemein um den Schutz des Ansehens der Ärzteschaft gehen sollte, genügt das abstrakte berufsständische Interesse nicht, um die für den Kläger äußerst schwerwiegende Präventivmaßnahme eines Berufsverbots zu rechtfertigen.   

98   Vgl. BVerfG, Beschluss vom 2. März 1977 - 1 BvR 124/76 -, juris, Rn. 35 (vorläufiges Berufsverbot gegen einen Rechtsanwalt).   

99   Das Bundesverfassungsgericht hat jedenfalls Zweifel geäußert, ob das durch einen Approbationswiderruf wegen Unwürdigkeit geschützte Vertrauen in die Ärzteschaft (überhaupt) ein Gemeinwohlinteresse ist, dessen Bedeutung in angemessenem Verhältnis zur Anordnung der sofortigen Vollziehung eines Widerrufs steht.

100   Vgl. BVerfG, Beschluss vom 23. November 2009 - 1 BvR 2709/09 -, juris, Rn. 8.       

101   Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.   

102   Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.   

103   Die Revision ist gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zuzulassen, weil die Frage, unter welchen Voraussetzungen sich die Anordnung des Ruhens in Fällen des § 6 Abs. 1 Nr. 1 BÄO, insbesondere bei Fehlen einer Wiederholungsgefahr bis zum rechtskräftigen Abschluss des Strafverfahrens, als zulässig erweist, höchstrichterlich nicht geklärt ist (vgl. den eine Revision zulassenden Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 27. November 2006 - 3 B 51.06, 3 B 51.06 (3 C 52.06) -, juris, Rn. 2).


Fazit:

Bereits vor rechtskräftigem Abschluss des Strafverfahrens kann gegen den Arzt wegen Abrechnungsbetrügereien gegenüber Krankenkassen die Anordnung des Ruhens der Approbation ergehen.



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